Wahre Freundschaft – Herr Krause & Otto
Teile diesen Beitrag

– Herr Krause & Otto –

In meiner Berufsschulzeit sollte ich einmal das Thema „Mitgefühl“ fotografisch umsetzten. Ziel war es dabei immer, dass jemand, der die Aufgabe nicht kennt, das Bild anschaut und das Thema erfasst. Ich hatte sofort eine Idee: Ich wollte eine arme, obdachlose Person fotografieren. Was kann mitleiderregender sein, als ein Mensch der nichts besitzt?

So informierte ich mich im Internet und erfuhr, dass in Rüsselsheim unter einer Brücke ein scheinbar netter Obdachloser wohnt. Er wird „der Opa“ genannt. Also fuhr ich zu ihm nach Rüsselsheim und unterhielt mich mit ihm – ein paar Stunden lang.
Herr Krause – das ist sein richtiger Name – erzählte mir von seinem Leben. Von seinen Auslandsaufenthalten als Feldarbeiter, wie ihm jemand seine Konservendosen gestohlen hat, nur um ein paar Tage später, heimlich,  die doppelte Menge hinzustellen und über seine Auftritte als Nikolaus in den Kindergärten. Er beschwerte sich, dass Fußgänger ihre Zigarettenstummel immer unter der Brücke auf den Boden warfen (er benutzt vorbildlich einen Aschenbecher) und schwärmte ganz viel von seinem Hund Otto.

Als ich Herr Krause aufgesucht habe, wollte ich eigentlich das Thema Mitgefühl fotografieren – einen armen, obdachlosen Mann mit seinem Hund. Was ich stattdessen vor die Linse bekommen habe, ist eine tiefe, bedingungslose Verbundenheit zwischen einem intelligenten, freundlichen und humorvollen Mann und seinem besten Freund.
Herr Krause hat schon viel erlebt und auch wenn er kaum materielle Besitztümer hat, so ist er doch alles andere als arm. Sein Reichtum liegt in seinen Erinnerungen, seinem Humor und seiner Freundschaft zu Otto.

Das ganze hat mir mal wieder gezeigt, wie oberflächlich man doch manchmal sein kann und das auch ich, obwohl ich immer dachte ein offener Mensch zu sein, unbewusst viele Vorurteile angesammelt habe. Die Fotografie hilft mir die Welt aus anderen Perspektiven zu erleben. Sie sorgt dafür, dass ich mich mit Dingen auseinander setzte, mit denen ich mich ansonsten nicht beschäftigt hätte. Und wenn ich ganz viel Glück habe, sorgt sie auch dafür, das andere Leute ihre Sicht der Dinge überdenken und sich ein bisschen dem Leben öffnen.

 

Merken

Merken